Was ist “Spirituelle Transformation”?

Gibt man in die Suchmaschinen des Internet den Begriff „Spirituelle Transformation“ ein, findet man erstaunlich wenig positive Ergebnisse. Es scheint schwierig, einen Text zu verfassen, der in Worten ausdrückt, worum es sich hierbei handelt. Was ist das Problem dabei?

Der Begriff legt nahe, dass etwas „umgeformt“ wird, bzw. „über-formt“ wird. Eine frühere Form wird zu einer neuen Form. Da stellt sich natürlich sofort die Frage, „was wird umgeformt?“ Ist es der Mensch, die Person, die Persönlichkeit, das Ich, die Seele, der Geist, oder etwas ganz anderes? Und welche Form war vorher da und welche nachher?

Wenn wir Menschen, die in unseren Augen „spirituell weiter“ sind als wir, befragen und erforschen, was sie von uns selbst unterscheidet, dann sind wir auf der Suche nach dieser anderen Form. Wir bekommen dann die unterschiedlichsten Antworten. Die einen sagen, „es gibt kein Ich mehr“, die anderen „alle Begierden haben aufgehört“, die dritten „ich lebe im zeitlosen Bewusstsein“ usw. Sie antworten auf die Frage nach ihrer jetzigen inneren Verfassung mit der Beschreibung eines Zustandes (=Form).

Mich erinnert dieses Vorgehen immer an die Sufi-Geschichte von den Blinden, die einen Elefanten beschreiben sollen. Der eine ertastet die Ohren, der andere den Rüssel, der Dritte ein Bein und jeder bekommt und vermittelt einen völlig anderen Eindruck davon, was eigentlich den Elefanten ausmacht, und wie er im Ganzen aussieht.

Die Form eines Elefanten gibt es nun aber (zumindest in unserem dualen raum-zeitlichen Bewusstsein) wirklich und wir können sie erkennen. Gibt es jedoch die Form eines Transformierten Menschen oder gar die Form eines Erleuchteten, anhand derer wir unzweifelhaft erkennen, dass es sich um einen solchen handelt?

Verlassen wir an dieser Stelle einmal die Begrifflichkeit und wenden uns dem Phänomen zu. „Spirituelle Transformation“ zeigt sich als Bewegung, als Entwicklung, als Wandel und Verwandlung und wird von den Menschen auch so erlebt. Es ist ein Prozess, ein Fließen. Erwachsene erleben sich in ständiger Veränderung, es gibt immer wieder neue Einsichten – der Weg ist das Ziel. Das Rad der immerwährenden Verwandlung, wiederholtes Sterben und Neu-Geboren-Werden, der Phönix, der immer wieder verbrennt und aus seiner eigenen Asche neu entsteht, sind einige Metaphern für diesen Vorgang.

Kann das zusammen gehen, die Frage nach der Form eines Transformierten und die Erkenntnis immerwährender Verwandlung? Wie so oft, wenn es um spirituelle Themen geht, landen wir bei einem unlösbaren Paradoxon – einem Koan, wie es im Zen-Buddhismus heißt. Und – wie dann immer – in der Erkenntnis, dass sich die Frage, was „spirituelle Transformation“ eigentlich ist, mit unserem rationalen Bewusstsein nichtbeantworten lässt.

 

Marianne Gallen (2006)