Spiritualität und Krebserkrankungen

Im nachfolgenden Text handelt es sich um einen Gastartikel. Er wurde von einer 35jährigen Frau geschrieben, die vor drei Jahren an Krebs erkrankte und in diesem Kontext von ihren Erfahrungen im Zusammenhang mit Spiritualität berichten kann.

2017 erkrankte ich an Krebs. Ich befand mich zu diesem Zeitpunkt im Psychologiestudium. Dies erwähnte ich deshalb, weil ich zum Ausdruck bringen möchte, dass Wissenschaft und wissenschaftliches Arbeiten und Denken mir durchaus vertraut ist. Diesen Text schreibe ich aus meiner Perspektive. Für diese Form habe ich mich entschieden, weil ich keine Dogmen vertreten möchte, sondern Menschen meine eigene Sichtweise und Erlebnisse schildern möchte ohne dabei Anspruch auf Übertragbarkeit auf andere Personen erheben zu wollen.

Krebs und Wissenschaft

Die wissenschaftliche Betrachtung einer Krebserkrankung ist recht nüchtern. Dieslässt sich nicht nur gängigen, als seriös einstufbaren Informationsportalen entnehmen, sondern diesen Eindruck erhielt ich auch in Kontakt mit Medizinern. Krebs wurde als biologische Entartung betrachtet. Als Grund wurde Zufall, Pech oder Belastungen durch beispielsweise Umweltgifte genannt. Oder es wurde gesagt, dass es zwar menschlich ist, nach Gründen Ausschau zu halten, es diese aber nicht immer geben würde oder wir sie schlicht keine Möglichkeit haben, sie zu ergründen.

Dass Krebs eine psychische Komponente haben könnte, wurde von medizinischer Seite nicht an mich herangetragen. Und hätte ein Arzt Hinweise in diese Richtung gegeben, dann hätte ich zum damaligen Zeitpunkt mit Sicherheit mit Wut reagiert:
„Psychische Ursachen? Heißt das, ICH habe SCHULD an meiner Krebserkrankung? ICH habe mir das also SELBST ausgesucht?“
So hätte ich es damals interpretiert und mein Widerstand hätte jede andere Auseinandersetzung mit dieser Möglichkeit unmöglich macht. Vielmehr hätte ich meine Wut auf die entsprechende Person projiziert und ihr unwissenschaftliches Vorgehen vorgeworfen.

Die Wissenschaft konnte bislang keine Hinweise auf psychische Ursachen als Entstehung für Krebs nachweisen. Zumindest heißt es so, wobei auch diese wissenschaftlichen Fakten weitere Interpretationen zulassen. So dürfte es unzweifelhaft sein, dass Stress im Körper zu biologischen Vorgängen führt (Erhöhung des Cortisolspiegels, dadurch Erhöhung des Blutdrucks und Herzschlags), schlechterer Schlaf und somit weniger Erholung), die das Immunsystem schwächen und somit auch die Krebsabwehr herabsetzen können.

Die Krebserkrankung konfrontierte mich mit einer möglichen Begrenztheit des eigenen Lebens, dem Gefühl von Ohnmacht, Kontrollverlust, den Grenzen meiner Willensfreiheit und der Antwort auf die Frage nach dem Sinn des Lebens.

In der Wissenschaft konnte ich keine Antworten auf meine Fragen finden. Der Sinn des Lebens? Was kommt nach dem Tod? Hier findet man höchstens Berichte von Nahtoderfahrungen, die auch zahlreich wissenschaftlich aufgearbeitet wurden, aber teilweise mehr Fragen hinterließen als Antworten lieferten. Nichtsdestotrotz kann ich das Buch „Endloses Bewusstsein – neue medizinische Fakten zur Nahtoderfahrung“ des Kardiologen Pin Van Lommel empfehlen. Ebenso empfehlenswert empfinde ich das Buch „Leben nach dem Tod“ von Dr. med. Raymond A. Moody.

Im Bereich der Krebserkrankungen macht die Wissenschaft wirklich unglaubliche Fortschritte, von denen viele Menschen profitieren können. Ich möchte der Wissenschaft hier keineswegs ihre Berechtigung absprechen. Jedoch denke ich, dass die Wissenschaft gerade hinsichtlich Krebserkrankungen wirklich noch in ihren Kinderschuhen steckt und wir mehr nicht wissen als wissen.

Dass sich Wissenschaft und Spiritualität nicht ausschließen, kann man beispielsweise im Buch „Wissenschaft und Spiritualität: Universum, Leben, Geist – Zwei Wege zu den großen Geheimnissen“ von Lars Jaeger nachlesen.
Auch die Zeitschrift Tattva Viveka befasst sich mit den Themen Wissenschaft und Spiritualität und ich kann sie wirklich empfehlen.

Studien können übrigens belegen, dass ein spiritueller Glaube das psychische und physische Wohlbefinden bei Erkrankten steigert.

Der Artikel „Kraft durch Spiritualität“ befasst sich ebenfalls mit der Thematik.

Der Fall einer jungen Frau, der mich beeindruckte

Im Laufe meiner Erkrankung lernte ich viele weitere Krebserkrankte kennen – teilweise persönlich, teilweise, weil sie ihren Weg mit der Erkrankung in den sozialen Medien teilten. Besonders Anteil nahm ich am Schicksal einer jungen Frau:

Während der Schwangerschaft mit ihrem zweiten Kind wurde bei ihr Brustkrebs diagnostiziert. Sie verweigerte die schulmedizinische Behandlung und beschäftigte sich viel mit den psychischen Ursachen ihrer Krebserkrankung. Sie meditierte nach Joe Dispenza und probierte verschiedene Ernährungsprotokolle aus, die bei Krebs empfohlen werden. Es gab einige alternative Wege zur Krebsbehandlung, die sie prüfte und versuchte. Sie war der Meinung, sich selbst heilen zu können. Ungefähr 1,5 Jahre später starb sie an ihrer Krebserkrankung.

„Hatte sie es nicht genug gewollt?“, fragte ich mich. Nicht genug an sich geglaubt? Was ist denn mit den schönen spirituellen Thesen, dass Bewusstsein die Materie steuert? Oder hatte sie die Ursachen ihrer Erkrankung einfach nicht richtig aufgearbeitet?

Unter ihrer Todesanzeige, die im Internet veröffentlicht war, fand sich ein Kommentar, der mich zum Nachdenken anregte: „Unsterblichkeit muss nicht das Ziel einer jeden Reise sein“.

Hat jemand wirklich „verloren“ weil er im „Kampf“ gegen eine Krebserkrankung nicht „gesiegt“ hatte? Mir wurde hierdurch deutlich, wie schwierig das gesellschaftliche Verhältnis zum Tod ist. Dies drückt sich schon in diesen Kampfbegriffen aus, die im Zusammenhang mit Krebserkrankungen häufig verwendet werden. Hierzu kann ich übrigens SEHR diesen Artikel in der FAZ empfehlen:

Die kulturelle Betrachtungsweise vom Kreislauf des Lebens und Sterbens unterscheidet sich stark. Hierzulande ist es üblich, das Thema Sterben und Tod eher zu verdrängen. Wenn man sich in anderen Kulturkreisen umschaut, wird diesem Thema anders begegnet. Um den Blickwinkel etwas zu weiten, kann ich beispielsweise den Disneyfilm „Coco – lebendiger als das Leben“ empfehlen. Es geht hier um den mexikanischen Tag der Toten und gibt ein wenig Einblick, in einen anderen Umgang mit dem Thema.

Um diese Passage zu einem Abschluss zu bringen, möchte ich noch ergänzen, dass die eben genannte verstorbene junge Frau eine Authentizität ausgestrahlt hat, die mich beeindruckt hat. Sie ist ihren Weg, der ihre innere Überzeugung war, gegangen. Dieser Weg hat sie in Richtung Tod geführt, aber es käme mir sehr anmaßend vor, zu behaupten, dass dieser Weg deshalb falsch gewesen wäre.

Eigene Erfahrungen sammeln

Konfrontiert mit dem Todesthema war es sicherlich mein Wunsch, die Angst vor dem Tod abzulegen. Mithilfe von Spiritualität sollte dies doch möglich sein, dachte ich mir. Vielleicht war ich auf meinem Weg manchmal zu schnell im Generieren von Pauschalantworten, die sich so nie finden ließen. Spiritualität lässt sich nicht in eine allgemeingültige Definition einengen und ein jeder gelangt zu anderen Wahrheiten und Weltsichten. Hierzu möchte ich eine kurze Anekdote erzählen:

Gespräch mit einem spirituellen Bekannten

Bei einem Gespräch mit einem etwa 50jährigen Mann erzählte mir dieser folgende Geschichte:
Seit Kindestagen hatte er einen Bezug zur Spiritualität, lebte diese und konnte nach jahrelangem spirituellem Weg die Frage nach der Angst vor dem Tod verneinen. „Nein, ich habe keine Angst mehr vor dem Tod“, sagte er also. Es kam, dass er sich in einem afrikanischen Land wiederfand, ursprünglich um das Land und die Leute zu erkunden. Dort wurde er sehr schwer krank.
Fernab von medizinischer Unterstützung lag er in einem Zelt, hatte Schmerzen und starkes Fieber. Plötzlich durchfuhr ihn die Erkenntnis „Ich könnte hier und jetzt sterben“. Er fing daraufhin vor lauter Todesangst an zu schreien, wie er noch nie geschrien hatte, so sehr ging ihm diese Erkenntnis und Angst durch Mark und Bein.
Seitdem ist er geläutert, meint er heute. Er vertritt auch, wie viele andere Mystiker, die Auffassung, dass alle Angst, die wir in unserem Leben verspüren, in ihrem Ursprung auf die Angst vor dem Tod zurückgeht.

Gespräch mit einem Langzeitmeditierenden

Eine andere Erfahrung habe ich beim Zusammentreffen mit einem knapp 80jährigen Menschen gesammelt, der seit 60 Jahren täglich eine intensive Form der Meditation praktiziert (Transzendentale Meditation).

Er verneinte die Angst vor dem Tod und erläuterte mir metaphorisch, dass wir wie ein Tropfen seien, der zurück in den Ozean fließen wird und dass unsere menschliche Vorstellung und unserer menschlicher Verstand die Konzepte von „nach dem Tod“ gar nicht richtig greifen kann, weil uns dafür die entsprechenden Sinne fehlen. Er sei sich dessen aber sicher, und diese Wahrnehmungswahrheit komme tief aus seinem Inneren, dass wir nach dem Tod zu etwas zurückkehren, wo wir vorher schon mal waren. Ein „nach Hause gehen“ quasi.

Im buddhistischem Zentrum

Relativ zu Anfang nahm ich Kontakt mit dem Buddhistischen Zentrum unserer Stadt auf. Dieses gehört zum sogenannten „Diamantweg-Buddhismus“ und ist durch Lama Ole Nydahl geprägt. Seine Gefährtin Hanna starb an den Folgen ihrer Krebserkrankung. Es gibt über ihr Leben und Sterben einen Dokumentarfilm.

Ich war mit meinem Mann zu einem Themenabend vor Ort. Zuerst wurde gemeinsam meditiert, anschließend erfolgte ein Vortrag über das Thema „Sterben und Tod“. Dieser war in meinen Augen sehr dogmatisch und einengend und einfach nicht so, wie ich mir mein Weltbild vorstellen möchte. Es hieß beispielsweise, dass nach dem Tod die Seele erstmal drei Wochen (bei der genauen Zahlenangabe bin ich mir unsicher) pausiert. Nach meiner Vorstellung, existiert das Zeit-Konzept jedoch nur in dieser Realität und nicht nach dem Tod weiter. Auch weitere Schilderungen ließen mich eher Abstand von dieser dort geschilderten Betrachtungsweise nehmen, so dass mein Mann und ich mitten während des Vortrages noch den Raum verließen.

Bewusstseinserweiterung mittels LSD

Dr. Peter Gasser behandelt in der Schweiz Krebspatienten mit LSD mit dem Ziel, deren Angst vor dem Tod zu reduzieren.

Das klang für mich erstmal befremdlich. Ich las mich weiter in die Materie ein. Stanislav Grof ist ein Psychotherapeut und schreibt in seinem Buch „Begegnung mit dem Tod“ darüber, wie er mithilfe von LSD Krebspatienten therapierte.

In Deutschland gibt es derzeit keine legale Möglichkeit, unter professioneller Anleitung einer substanzbegleitete Psychotherapie zu machen. In einem legalen Rahmen war es mir dennoch möglich, eine Erfahrung mit dieser Substanz zu machen. In diesem Bericht kann man meine Erfahrungen nachlesen.

An dieser Stelle möchte ich darauf hinweisen, dass ich nicht dazu rate, auf eigene Faust bewusstseinsverändernde Substanzen zu nehmen. Es können starke Integrationsschwierigkeiten ausgelöst werden, die ohne professionelle Hilfe manchmal nur schwer oder gar nicht zu überwinden sind.
Auch möchte ich nicht den Eindruck vermitteln, dass nach einmaliger Einnahme einer Substanz Probleme, die man zuvor hatte, wie von Zauberhand überwunden sind.

Jedoch kann ich sagen, dass diese Erfahrung für meinen spirituellen Zugang essentiell war und in mir etwas ausgelöst hat, was kein Buch, keine Lehre und keine konventionelle Psychotherapie mir anders hätte vermitteln können. Es war einfach plötzlich ein „Aha – nach dem Tod ist das Leben also nicht vorbei“–Gedanke, den ich während dieser Erfahrung hatte, der mich noch heute trägt und auf dem große Teile meiner spirituellen Entwicklung überhaupt erst Fuß fassen konnten.

Erfahrung auf einem schamanischen Retreat

Ich nahm an einem schamanischen Gruppen-Retreat mit ungefähr 30 Menschen teil.

Nachdem ich eine anstrengende Nacht mit wirren Gedanken hatte, saßen wir alle in einem Kreis und jeder sollte berichten, welche Erkenntnisse er im Verlaufe dieser schamanischen Zeremonie gesammelt hatte. Meine Nacht war nicht nur anstrengend, sondern regelrecht traumatisch gewesen. „Also, wenn ich eine Vision hatte, dann die, dass das Leben absolut sinnlos ist. Es ist absolut ohne Sinn!“, brachte ich hervor.
Der Schamane, der spanisch sprach und dessen Helferin übersetzte, gab zuvor allen Teilnehmern hilfreiches und konstruktives Feedback. Ich erhoffte mir auch, dass er mir den Zahn ziehen könnte und mir ein Gegenmodell zu meiner These vorstellen würde. Stattdessen blickte er mir lange in die Augen und sagte dann „Du hast recht. Was du erkannt hast, ist richtig. Das Leben ist absolut ohne Sinn“.

Er stand auf, kam auf mich zu und nahm mich in den Arm. Alle weiteren Seminarteilnehmer kamen dazu und umarmten uns umarmendes Paar ebenfalls. Es war ein sehr ergreifender Moment, den ich nur schwer in Worte transportieren kann.

Was ich aber in der folgenden Zeit merkte war, dass die These „Das Leben hat keinen Sinn“ zu weiteren Überlegungen einlädt. Wir Menschen sind oft so getrieben von einer Sinnsuche, dass uns der gegenwärtige Moment verloren geht. Wir suchen etwas, entweder in der Vergangenheit oder in der Zukunft. Und können es doch jeweils nur im gegenwärtigen Moment finden, wofür wir unsere Suche aber einstellen müssten. Ich könnte sagen „Das Leben hat nur so viel Sinn, wie wir imstande sind, ihm zu geben“, aber auch dies würde die ursprüngliche Frage nach einem einheitlichen Sinn nicht beantworten. Der Schamane transportiere mir hier eine ganz neue Antwort: Ja, vielleicht hat das Leben keinen Sinn. Lass es uns trotzdem leben. Lass uns trotzdem feiern.

Die letztliche Wahrheit, nach der ich lange (Spoiler: vergeblich) suchte, sollte doch aber sein, einen Sinn in allem, auch in allen widrigen Umständen, zu finden – so dachte ich.
Eine Bekannte von mir erlebte während einer Vision diese Sinnhaftigkeit, wie ich sie mir auch wünschte. „Glaub mir“, sagte sie, „es hat alles seinen Sinn. Dass wir krank geworden sind, du und ich, das hat seinen Sinn. Es kommt alles so, wie es geschehen soll. Ich habe es gesehen. Der Ursprung von allem ist Liebe. Glaub es mir.“
Diese Worte gaben mir Hoffnung, aber was könnten Worte eines anderen in einem selbst bewirken, solange man seine eigene Wahrheit nicht selbst erfährt?

Schulmedizinische Behandlung alternativlos?

Trotz der vielen Eindrücke und Erfahrungen, die ich im Laufe der Zeit sammelte, würde ich eine Krebserkrankung auch heute weiter schulmedizinisch behandeln lassen. Dennoch bin ich der Meinung, dass Krebserkrankungen (wie alle übrigen Erkrankungen auch) eine psychische (Mit-)Ursache haben.
Ich habe auf viele Fragen keine Antwort: Hat nicht jeder Mensch unbearbeitete psychische Konflikte – warum kriegen dann nicht alle Menschen Krebs?
Aber ich habe mich daran gewöhnt, die fast schon zwanghafte Suche nach befriedigenden Antworten aufzugeben. Ich bin lediglich für mich zu dem Schluss gekommen, dass meine Krebserkrankung entstanden ist, weil mein Körper etwas zum Ausdruck bringen wollte, was anderweitig kein Gehör finden konnte. Daran glaube ich. Für mich fühlt sich das wahr an.

Die Gefahr hinsichtlich Spiritualität, alternativen Behandlungsmethoden und Krebs sehe ich darin, dass Menschen notwendige Behandlungen oder Operationen vermeiden könnten, weil sie Angst haben, auf ihrem spirituellen Weg etwas „zu verpassen“ bzw. den der Krebserkrankung unterstellten inneren Konflikt so nicht hinreichend würdigen zu können, wenn sie sich konventionell behandeln lassen würden.

Ist es nicht so dass, wenn Geist, Seele und Körper im Einklang stehen, keine Krankheiten entstehen können bzw. diese sich auflösen?

Ich für mich fand die Antwort, dass die Schulmedizin meine spirituelle Entwicklung nicht behindert beziehungsweise, dass meine spirituelle Entwicklung noch so in ihren Kinderschuhen steckt, dass wirkliches spirituelles Empfinden und Leben nicht sofort möglich ist. Akzeptanz, Annahme, das Ausüben von Meditation – das alles sind Lernprozesse, die (bei mir) nicht sofort auf fruchtbaren Boden fielen, sondern weiterhin Übung erfordern.
Mein Tumor war ein schnellwachsender Tumor, weswegen schnelles Handeln mithilfe von Schulmedizin für mich nicht im Widerspruch dazu steht, spirituell nach den Ursachen einer Erkrankung zu schauen und mit den Erkenntnissen zu arbeiten.

Ich sehe eine mögliche Gefahr, Spiritualität zu romantisieren. Wenn Spiritualität beispielsweise bedeutet, im Einklang mit der Natur zu leben, dann wird manchmal nicht bedacht, dass der Tod ebenso natürlich ist, wie das Leben. Dass es auch vollkommen natürlich ist, dass die Natur zerstörerisch sein kann, wird beim Mainstream-Wohlfühl-Spiritualismus manchmal nicht berücksichtigt. Entschuldigt meine Wortwahl. Ich möchte mich hierbei nicht höherstellen oder mich über Menschen lustig machen, deren spirituelle Vorstellungen anders als die meinen sind. Meine spirituellen Überzeugungen sind nur mit der Zeit dahin gelangt, dass das, was Menschen gemeinhin in „gut“ oder „schlecht“ unterteilen, nicht unbedingt natürlich ist. Das Leben ist nicht besser oder schlechter als der Tod, sondern es sind zwei Seiten derselben Medaille.

Besonders interessant fand ich einen Artikel in der Tattva Viveka , in dem es hieß:

“Der Glaube an Resonanz und Manifestation hat auch die Konzepte rund um Heilung durchdrungen. Der gesunde Mensch ist, ebenso wie der erfolgreiche und wohlhabende, zum Inbegriff des spirituellen Meisters geworden. In der Logik dieser Systeme ist das ja auch folgerichtig, denn wenn Krankheit sich falschem Denken und Fühlen verdankt, dann muss Gesundheit ja zwangsläufig dem richtigen Denken und Fühlen folgen. Dementsprechend sind mir im Rahmen meiner Arbeit in den letzten Jahren viele Kranke begegnet, die sich mit einem tiefen Versagensgefühl herumschlugen. Viel zu leicht wird zu Kranken gesagt: Du bist krank, weil. Und sie quälen sich jahrelang mit Auflösungsarbeit, Affirmationen, karmischen Aufräumaktionen und vielem mehr herum, nur weil sie glauben, sie hätten sich ihre Misere selbst eingebrockt. Dass es krankmachendes Verhalten und Milieus gibt, ist sicher unbestritten. Doch unser Deutungswahn ist unerträglich auf die Spitze getrieben, wenn wir Kranken mit Bestimmtheit sagen wollen, woher ihr Leiden kommt, und dass es unbedingt zu beenden sei, und mehr noch, wie es zu beenden sei.”

Eigene Erfahrung Vipassana-Retreat

Ich möchte noch den Unterschied zwischen „angelesenem Wissen“ und „Erfahrungswissen“ eingehen. Ich besuchte im Rahmen meiner eigenen spirituellen Suche einen 10tägigen Vipassana-Schweige-Mediationsretreat.
Neben 10stündiger täglicher Mediation wurden auch Vorträge abgespielt. Hierin wurde für mich eindrücklich rübergebracht, dass es ein himmelweiter Unterschied ist, eine Wahrheit kognitiv, also mit dem Verstand, zu erfassen oder aber sie zu spüren. Denn Letzteres lässt keinen Zweifel mehr zu, benötigt keine Belege oder wissenschaftliche Nachweise, sondern das Wissen und die Wahrheit entsteht und festigt sich in einem selbst.
Nur das Lesen von spirituellen Büchern macht mich nicht zu einem spirituellen Menschen. Jeder einzelne Satz in einem Buch kann eine vollkommen neue Bedeutung und Welt offenbaren, wenn man ebenfalls gefühlt hat, was der Autor beim Schreiben seiner Zeilen wohl fühlte.

Spontanheilungen:

Kurz möchte ich auf das Thema Spontanheilungen eingehen und hierzu auf folgende Seiten verweisen:

https://www.naturheilmagazin.de/natuerlich-heilen/krankheiten-a-bis-z/krebs/krebs-therapien-spiritualitaet.html

https://www.krebsinformationsdienst.de/tumorarten/grundlagen/spontanheilung.php

Kurzgefasst: Spontanheilungen bei Krebserkrankungen gibt es. Sie sind medizinisch einwandfrei nachgewiesen. Aber sie sind sehr selten.

Buch: „Mut und Gnade“ von Ken Wilber

Das Buch „Mut und Gnade“ von Ken Wilber kann ich jedem ans Herz legen, der sich mit den Themen Krebs und Spiritualität beschäftigen möchte. Ken Wilber erzählt seine eigene Lebensgeschichte über das Zusammenleben mit seiner Frau Treya, die an Krebs erkrankte und letztlich auch dran starb.

„Gib dich hinein in die Gegenwart dessen, was ist. Lass das Ich sich entrollen in der ungeheuren Weite allen Raumes. Dein uranfänglicher Geist ist ungeboren und unsterblich; er wurde nicht mit diesem Körper geboren und wird nicht mit diesem Körper sterben. Erkenne deinen eigenen Geist als in Ewigkeit eins mit dem universalen Geist“, sagte Ken Wilber seiner Frau auf dem Sterbebett. Ihr Tod war schließlich friedlich, umgeben von einem plötzlichen Sturm und abschließend mit einem Lächeln auf ihren Lippen.

„Weil ich den Tod nicht mehr ignorieren kann, achte ich mehr auf das Leben“, sagte Treya im Buch und beeindruckte mich mit ihrem Umgang mit ihrer Erkrankung.

Buch „Heilung im Licht“ von Anita Moorjani

Anita Moorjani schrieb das Buch „Heilung im Licht“. Dieses Buch kam wie folgt zu mir:
Ich traf mich mit einer Eckhard-Tolle-Gruppe, um gemeinsam zu meditieren. Meine Krebserkrankung kam hierbei kurz zur Sprache. Die Frau, in deren Haus ich mich befand, stand auf und holte besagtes Buch aus dem Schrank. „Das liegt hier wohl für dich“, sagte sie sinngemäß und so gelangte das Buch in meine Hände.

Anita Moorjania war an Krebs erkrankt. Unheilbar, wie die Ärzte ihr sagten. Ihre Organe versagten und sie lag im Sterben. Hierbei erlebte sie eine Nahtoderfahrung. Als sie in ihrem Krankenbett wieder zu sich kam, wusste sie, dass der Krebs von selbst verschwinden wird. So geschah es dann auch.

In ihrem Buch schreibt sie:

„Früher pflegte ich Dingen nachzujagen, hatte das Gefühl, tun und machen, bekommen und erreichen zu müssen. Doch schon der Akt, hinter etwas her zu sein, entspringt der Angst – wir haben Angst, nicht das zu haben, was wir wirklich haben wollen. Dadurch stecken wir in der Dualität fest, weil der Fokus auf die inhärente Trennung zwischen Jäger und Beute gerichtet ist. Jetzt jage ich nichts mehr nach. Stattdessen lasse ich zu. (….) Nach alldem, was ich gesagt habe, ist es nun aber nicht so, dass ich dasitze und jede Entscheidung oder Möglichkeit sorgfältig überdenke. Vielmehr lebe ich einfach jeden Moment ganz bewusst, so immer ich bin, und das geschieht im Inneren, nicht im Außen. Im Äußern gibt es nichts zu verfolgen oder anzuziehen. Und da sich das Universum im Inneren befindet, wirkt sich alles, was ich mir an Erfahrungen mache, auf das Ganze aus.“

„Tibetisches Buch vom Leben und Sterben“

Um mich mit dem Todesthema weiter auseinanderzusetzen, las ich das „Tibetische Buch vom Leben und Sterben“ von Sogyal Rinpoche. Ich kann es jedem Menschen mit spirituellem Zugang sehr empfehlen und muss dazu sagen, dass auch ich diesen spirituellen Zugang im Laufe meiner Krebserkrankung erst finden musste. Ohne diesen besagten Zugang hätte ich auch mit dem eben benannten Buch nichts anfangen können. In diesem Buch werden auch in einem kurzen Abschnitt Krebserkrankungen thematisiert. Ich möchte gerne einige Zitate aus diesem Buch aufführen:

„Ich hatte Erfahrungen, für die ich dem Krebs dankbar sein muss, weil ich sie sonst niemals gemacht hätte: Demut, ein Ins-Reine-Kommen mit meiner eigenen Sterblichkeit, Wissen um meine innere Stärke, die mich immer wieder überrascht, und weitere Erkenntnisse über mich selbst, die ich erst entdeckt habe, als ich gezwungen war, meine eingefahrenen Gleise zu verlassen, neue Prioritäten zu setzen und vorwärts zu schreiten.“

Es gab eine Zeit, da hätte eine solche Aussage in mir Wut ausgelöst. Dem Krebs dankbar sein? Pah! Erst heute kann ich es verstehen. In den letzten drei Jahren habe ich so viel über mich selbst gelernt. Habe in so viele meiner eigenen Abgründe geblickt und mich mit so vielen für mich essentiellen Themen auseinandergesetzt, dass ich mir ein Leben „davor“ gar nicht mehr vorstellen kann und mich auch nicht danach zurücksehne.

„Sie kam ins Zimmer und setzte sich Dudjom Rinpoche gegenüber. Sie schluchzte „Mein Arzt hat mir nur noch einige Monate gegeben. Können Sie mir helfen? Ich sterbe.“
Zu ihrer Verblüffung begann Dudjom Rinpoche gütig und mitfühlend zu lächeln. Dann sagte er sanft „Wissen Sie nicht, dass wir alle sterben? Es ist nur eine Frage der Zeit. Manche sterben eher als andere.“ Mit diesen wenigen Worten half er ihr, die Universalität des Todes zu erkennen und einzusehen, dass ihr bevorstehender Tod nichts Außergewöhnliches war. Das minderte ihre Angst. Dann sprach er über Sterben und das Annehmen des Todes. Er sprach auch über die Hoffnung, die im Tod liegt. Am Ende lehrte er sie eine Heilpraxis, die sie mit Enthusiasmus aufnahm. „

„Tibetische Buddhisten glauben, dass Krankheiten wie Krebs Warnungen sein können, die uns erinnern sollen, dass wir tiefe Bereiche unseres Seins – wie etwa unsere spirituellen Bedürfnisse – vernachlässigt haben. Wenn wir diese Warnung ernst nehmen und die Richtung unseres Lebens grundlegend ändern, gibt es berechtigte Hoffnung auf Heilung nicht nur unseres Körpers, sondern unseres gesamten Seins.“

„Wir haben Angst loszulassen, wir haben Angst, wirklich zu leben, weil leben lernen loslassen lernen bedeutet. Es liegt eine tragische Komik in unserem krampfhaften Festhalten: Es ist nicht nur vergeblich, sondern beschert uns genau den Schmerz, den wir um jeden Preis vermeiden wollen. (…) Es gibt aber eine andere Möglichkeit: Sie können loslassen und dennoch behalten. Drehen Sie einfach die Hand um. Wenn Sie die Faust jetzt öffnen, bleibt die Münze auf ihrer Handfläche liegen. Sie lassen los, doch die Münze bleibt ihnen trotzdem. Es gibt also einen Weg, Vergänglichkeit zu akzeptieren und gleichzeitig das Leben zu genießen – nämlich ohne Greifen.“

Ausblick:

Gesellschaftlich würde ich mir wünschen mit den spirituellen Themen und Fragestellungen hinsichtlich der Krebserkrankung von Medizinern nicht nur belächelt, sondern auch ernstgenommen zu werden. Ärzte waren für mich nie Ansprechpartner, wenn ich diesbezüglich Gesprächsbedarf hatte. Ich kenne aber an Krebs erkrankte Menschen, die hinsichtlich ihrer spirituellen Fragen durch Ärzte und Fachpersonal sehr verunsichert wurden.

Krebspatienten haben die Möglichkeit, psychoonkologische Unterstützung in Anspruch zu nehmen. Psychoonkologen haben in ihrer Ausbildung Konzepte erlernt, wie sie Patienten auch mit solch schwerwiegenden Themen unterstützen können und sollten (zumindest in der Theorie) auch offen für spirituelle Fragestellungen sein. Psychoonkologen sind hiermit somit wohl meist die besseren Ansprechpartner als Ärzte, die oft auch gar nicht Zeit und Raum für diese komplexen Fragestellungen haben.

Letztlich geht es auch darum, zu lernen, der eigenen Intuition zu vertrauen. Menschen, die einen verstehen, können hierbei sehr unterstützen. Wer einen spirituellen Weg gehen möchte, findet vor Ort sicher Gruppen mit spirituellem Bezug. Ansonsten bietet das Internet dank zahlreichen Foren und Facebook auch noch weitreichende Möglichkeiten.