Wie der Krebs mich heilte

Als ich im Spätsommer 2006 die Krebsdiagnose bekam, hatte ich bereits seit 6 Jahren Meditationserfahrungen gesammelt. Zur Meditation war ich durch einen Entspannungskurs gekommen, den eigentlich ursprünglich mein überarbeiteter Ehemann besuchen wollte – der dann keine Zeit dafür fand…

Der bewusste spirituelle Weg beginnt

In diesem Entspannungskurs wurden unter anderem energetische Übungen aus verschiedenen spirituellen Traditionen gelehrt. Mich verblüffte die starke Wirkung, die dort eine bewegte Meditation in mir auslöste: Emotionale Konflikte schienen sich unmittelbar in Luft aufzulösen. Das machte mich neugierig! Ich begann zunächst über Sufismus zu lesen und schien zu finden, was ich längst unbewusst gesucht hatte. Zutiefst motiviert schloss ich mich einer Meditationsgruppe an. Anfangs hatte mein Verstand Mühe sich auf Chakra-Visualisationen, Mantren, Edelsteinenergien, Mudras und dergleichen ungewöhnliche Bezüge einzulassen, … aber da mir die Übungen mit anschließender Meditation in den Alltag hineinwirkend so wohl taten, blieb ich dabei und gewöhnte mir auch zu Hause regelmäßige Meditation an. Nach Erklärungen suchend las ich ein Buch nach dem andren: Über das hinduistische Vedanta, über Buddhismus, über energetische Heilarbeit, Biografien über spirituelle Wege, ect. … Nach den anfänglichen Wohltaten durch die Meditationspraxis kamen immer mehr auch die Spannungen und Schmerzen ins Bewusstsein, die ich bei zunehmender Achtsamkeit in meinem Körper aufspürte. Ich lernte daran zu arbeiten und es dauerte nur wenige Wochen, bis dadurch mein Kundaliniprozess in Gang kam.

Ungestüme Kundalini

Geweckt wurde die Kundalini durch eine öffnende Übung. Hitze strömte in meinen Unterbauch, die meine Aufmerksamkeit nach innen zog. Einige Wochen hatte ich dann mit dem Wechsel von Hitze und eisiger Kälte zu schaffen, wobei die Hitze ein expandierendes, quirliges Gefühl erzeugte und die Eiseskälte mich so schmerzhaft erstarren ließ, dass ich kaum noch aufrecht gehen konnte. Beide Zustände erforderten meine ganze Konzentration und ich wollte eigentlich nur noch dasitzen und dem inneren Geschehen Aufmerksamkeit geben. So reduzierte ich radikal alle Tätigkeiten in meinem Leben, die nicht dringend sein mussten, um Zeit für das Innenleben zu haben.

Tiefe Zweifel

Mit der Zeit beruhigten sich die körperlichen Phänomene, aber seelisch geriet ich in eine Phase des tiefen Zweifels. Ich bemerkte, wie sehr ich mich von meinem bisherigen Leben entfernte und mir bisherige Werte der Lebensführung oberflächlich und unbedeutend vorkamen. Doch wohin würde meine innere Reise mich führen? Ich hatte keine Ahnung, ob ich diesem Niemandsland, in das ich nun geriet, trauen könnte. Was, wenn sich das, was ich gerade innerlich erlebte, doch noch als Irrtum herausstellte? Wenn ich nur einer Verführung erläge? Was, wenn ich mich gerade selbst ins Abseits katapultierte und später den Anschluss ans ‘Leben’ nicht mehr finden könnte? Was, wenn die Brücken zum bisherigen Leben zerbrächen? Wo sollte diese Reise mich denn nur hinführen??

Die dunkle Nacht

Wann immer es ging unternahm ich Spaziergänge, hatte meine Plätze am Bach, versteckt hinter Büschen, wo ich einfach in stiller Betrachtung sitzen und verweilen konnte. Diese naturverbundenen Stunden waren wohltuend. Doch wenn ich auf meinen Lebenslauf sah, ängstigte mich dieses Loslassen, welches mich in ein inneres Labyrinth führte, aus dem ich keinen Ausgang erkennen konnte. Manchmal fühlte es sich auch an, als sei ich in einem dunklen Keller und fände den Lichtschalter nicht, der mir zeigen würde wo ich bin und wo es entlang geht. Diese Zeit würde ich im Nachhinein als die ‘dunkle Nacht’ deuten. Gefangen in einem Zwischenzustand, den ich nicht beeinflussen konnte. Ein Zurück schien absurd und unaufrichtig, der Zukunft konnte ich beim besten Willen nicht trauen, weil sie sich im undurchsichtigen Nebel befand.

Extreme innere Zustände

Die körperlichen Phänomene veränderten sich. Manchmal erlebte ich nachts ein heißes Strömen durch den ganzen Körper, manchmal stand ich unter einem Druck, als würde ich gleich explodieren müssen. Wie ein Dampftopf ungefähr. Und wenn der Dampftopf gerade brodelte, wurde ich emotional durch ein Wechselbad geschickt: Manchmal quälte mich eine Sehnsucht in unendlich viele Teile zu zerbersten und mich extatisch in den Weiten des Universums aufzulösen, dann wieder erlebte ich unter mir einen unendlich tiefen, dunklen Abgrund, der mich zu verschlingen drohte. Das waren anstrengende Zustände, die mich im Außen ziemlich unkonzentriert machten. In dieser Zeit hatte ich mehrere kleine Autounfälle durch Unaufmerksamkeit und war auch sonst eher zerstreut. Wenn es körperlich heftig wurde, half ich mir manchmal mit körperlich anstrengender Arbeit, um der gestauten Energie ein Ventil zu geben.

Einsamkeit

Meine Zustände habe ich niemandem in meinem Umkreis anvertraut, aus Sorge missverstanden zu werden. Ich wollte nicht als psychiatrischer Fall gelten und mich entsprechenden Behandlungen aussetzen. Denn ich wusste damals durchaus, worum es ging, und dass ich auf einer ganz anderen Ebene Unterstützung brauchte, um durch diese Phase zu finden. Die holte ich mir dann bei einem Heiler, der sich mit Kundaliniphänomenen auskannte und mir praktikable Übungen gab. Ich erlernte auf diese Weise, die ungestüme innere Ladung so zu lenken, dass die Energie wieder zirkulieren konnte. Die Energie begann nun zu sprudeln und stand mir zur Verfügung.

Endlich in meiner vollen Kraft

Ich wurde wieder aktiv und zwar auch auf kreative Weise. Denn ich entdeckte, dass ich viel vielseitiger war, als ich das zuvor von mir gekannt hatte: Ich konnte den Marderschaden am Auto selber reparieren und traute mir auch sonst eine Menge zu, weil ich ohne Scheuklappen hinsehen und handeln konnte. Ich habe dann auch aktiv Defizite im Leben in die Heilung gebracht. Zum Beispiel in dem ich mit 44 Jahren nochmal hochkarätigen Geigenunterricht nahm, um Freiheit auf dem Instrument zu erlangen (die ich einst, als begrenzt erlebende Musikstudentin, nicht erreicht hatte). Mein Leben (meine eigenen Möglichkeiten betreffend) fühlte sich nun kraftvoller und erfreulicher an, als je zuvor.

Die Schatten drängen vor

In dieser Phase erlebten mein Mann und unsere (damals pubertierende) Tochter über einige Jahre eine sehr konfliktreiche Zeit. Und beide suchten hinter meiner ‘Stärke’ Schutz und Unterstützung. Und weil ich beide Seiten auf ihre Weise gut mitfühlen konnte, geriet ich zwischen die Stühle und zermürbte mich dabei, ohne eine Lösung zu finden, die wirklich griff. Ich fühlte mich im System verstrickt. (Erst Jahre später konnte ich mein eigenes Schattenthema dahinter vollends aufdecken) Ich beschloss, mir eine Auszeit zu nehmen, um mich zu besinnen. Habe einen Ort des Rückzugs gefunden und mich dort angemeldet. Am Tag meiner Abreise, im Spätsommer 2006, habe ich einen frisch ertasteten Knoten in meiner linken Brust radiologisch checken lassen und bekam promt die Diagnose Brustkrebs. Der Knoten befand sich übrigens genau über dem gefühlt zerrissenen Herzen.

Krebs – Auszeit!

Mein erster Gedanke war: Es geht nicht um Leben und Tod, sondern um Auszeit! Nun darf ich länger als die geplanten zwei Wochen in den Rückzug gehen! Habe umgehend meine beruflichen Verpflichtungen abgesagt mit dem Kommentar: „Ich habe Krebs. In einem halben Jahr komme ich wieder.“ Dann reiste ich zu meinem (etwas verkürzten) Retreat ab. Und es tat so wohl! Und ich erlebte unterwegs so unglaubliche Synchronizitäten, dass ich sicher sein konnte: Jetzt gerade tust du das Richtige!

Eine Woche später habe ich mich ins Krankenhaus begeben, um mich der empfohlenen OP zu unterziehen. (Zu einer alternativen Behandlung fühlte ich mich damals nicht sicher genug. Fand zu wenig überzeugende Informationen drüber. ) Als ich dann frisch operiert im Krankenzimmer lag, erlebte ich die stets wechselnden Pflegerinnen und Ärzte/Ärztinnen wie eine Einheit. Alle hatten im Sinn das Beste für mich zu tun, alle trugen das selbe innere Licht in sich. Bei manchen stärker leuchtend, bei manchen verhaltener. Ich fühlte mich aufgehoben und sicher. Seltsam fand ich die Überlebensstatistiken, die ich in den Informationsbroschüren bekam. Innerlich fühlte ich mich aber gar nicht auf diese Sichtweisen angewiesen. Meine Krankheit hatte ihre Gründe und ihre innere Logik und war meiner Ansicht nach nicht mit Statistiken zu messen.

Loslassen

Zu Hause war dann Schonzeit angesagt, die Wunde sollte in Ruhe verheilen. So saß ich also im Sessel, von allen bisherigen Aufgaben entbunden. Ich brauchte keinen Haushalt mehr zu machen (Die jugendlichen Kinder konnten plötzlich Wäsche waschen!, mein Mann kochte…). Ich hatte keine Geigenschüler mehr zu unterrichten und keine Konzerte mehr zu spielen. Ich verdiente kein Geld mehr und ging nicht einmal mehr zur Meditationsrunde. Ich saß einfach nur ruhig und nichts tuend da und schaute aus dem Fenster… der Rollen entledigt, mit denen bisher mein Selbstwertgefühl noch identifiziert gewesen war.

Da erlebte ich eine neue Stufe des Loslassens – und ich stellte mir die Frage: „Was bleibt, wenn alles geht?“

Erwachen

In mir stieg unvermittelt eine Welle an unendlicher Freude auf. Ich spürte eine sprudelnde Quelle von purem Leben. Und ich spürte die Grenzenlosigkeit dieses Lebens, welches einfach da ist, unabhängig davon, ob ich physisch lebe oder nicht mehr auf der Erde bin, unabhängig davon, ob ich etwas leiste oder nichts tue. Diese sprudelnde Quelle von Leben zeigte sich mir als allgegenwärtige Liebe, die bedingungslos trägt. So geschah mein Erwachen und das definitive Ende der Suche.

Still-Stand

Happy End? Nun ja, ich genoss fortan das freudevolle Nichtstun. Und ich wusste, dass ich nie mehr etwas tun wollen würde, das nicht meinem tiefsten Herzen entspringt. Erstaunlicherweise hatte ich über Monate keinen Impuls mehr Geige zu spielen. Ich brauchte das Geigen nicht mehr, um mich wohl zu fühlen. Lieber meditierte ich… Zwar habe ich mit der Zeit meine familiären Tätigkeiten wieder aufgenommen, aber sonst war mir das lebendige Nichts absolut genug. Ich fühlte mich in mir komplett und ohne Mangel.

Nach einigen Wochen, ja Monaten, hatte ich mich jedoch im Verdacht in Wirklichkeit stinkefaul zu sein 😉 Diesen Gedanken besprach ich dann mit meinem ehemaligen Shiatsulehrer, der zum Glück sinngemäß meinte: „Ach was! Das ist europäisches Leistungsdenken. Du wirst schon bemerken, wenn wieder etwas getan werden möchte.“

Zurück ins aktive Leben

Und so kam es. Eines Tages erhielt ich den Anruf einer ehemaligen (indianisch-stämmigen) Schülerin, die übrigens auch durch eine Krebserkrankung gegangen war. Sie suchte für ein musikalisches Benefiz-Projekt zur Unterstützung ihres Heimatvolkes noch eine Geige. Ob ich jemanden wüsste. Und ich hörte mich sagen: „Wie wäre es mit mir?“ Und so stieg ich von heute auf morgen wieder in meinen Beruf ein. Es war, als sei nie eine Pause gewesen. Nur das Lampenfieber war weg (und blieb weg). Ein Projekt führte zum nächsten. Geigenschüler kehrten nach der Auszeit zurück.

Aufarbeitung und Ausbildung

Innerlich fühlte ich mich nun einerseits frei, aber ich bemerkte, dass es durchaus noch Schattenaspekte in mir gab, denen ich auswich… die wollte ich mit der Zeit in sicherer Umgebung und in Ruhe bearbeiten… Meine Meditationslehrerin hatte mir eh schon seit einiger Zeit empfohlen, eine Heilerausbildung zu beginnen… Und mein Energiefluss wollte in sinnvolle Bahnen gelenkt werden… So kam es, dass ich 2008 eine wundervolle Heilerschule fand, in der ich dann viele Jahre lernte. Zunächst zu meinem eigenen Segen und zum Segen meiner Beziehungen. In dieser Schule traf ich meine musikalische Partnerin, die Sängerin Claire, mit der ich schon 2009 die Zusammenarbeit begann, welche sich bis heute fortsetzt. Es folgte noch der Schritt mich als Heilpraktikerin für Psychotherapie auszubilden und 2016 meine eigene Praxis aufzubauen.

Das Herz führt

Seit dem Erwachenserlebnis 2006 entwickelte sich mein Leben stimmig und macht Sinn. Ich habe Werkzeuge, um gelegentlich in mir auftauchende Schattenaspekte zu bearbeiten und mit konflikthaften Situationen umzugehen. Und ich habe Werkzeuge, um andre Menschen auf ihrem Weg zu unterstützen, sei es durch energetische Heilarbeit oder psychologisch, manchmal nur durch Präsenz. Gleichzeitig fühlt sich mein Leben längst wieder unspektakulär normal an. Es ist jedoch ein weitgehend von innen/oben geführtes Leben und ich fühle mich darin aufgehoben…

Nachwort

Warum ich behaupte, dass der Krebs mich heilte?

Weil er mir die lange Auszeit ermöglichte
(die zu nehmen ich mich sonst damals nicht getraut hätte)
Weil er mich auf die Herzthemen hinwies,
die schon seit meiner Kindheit latent in mir schwelten.
Weil er mich lehrte meine Identifikationen loszulassen.
Weil er mich lehrte, dem Leben zu vertrauen.
Weil er mir den Raum zur nachhaltigen Neuausrichtung schenkte.

Danke!

Rita