Zitatesammlung zum Ego-Tod

 

Chögyam Trungpa:

In: Der Mythos Freiheit und der Weg der Meditation, Theseus, Küsnacht, 1994

“Wenn innerhalb unserer geistigen Erfahrung eine Lücke oder ein offener Raum auftritt, wenn es einen plötzlichen kurzen Einblick in Bewusstheit, Offenheit, Ichlosigkeit gibt, dann taucht ein Verdacht auf: ‘Was ist, wenn ich nun herausfinde, dass es kein fest abgegrenztes Ich gibt? Jene Möglichkeit versetzt mich in Schrecken. Darauf möchte ich mich nicht weiter einlassen.’ Jene vage Paranoia, das Unbehagen darüber, dass irgendetwas nicht stimmen könne, ist die Quelle für karmische Kettenreaktionen. Es ist die Angst vor äußerster Verwirrung und Verzweiflung. Die Furcht vor dem Fehlen des Ichs, vor dem Zustand der Ichlosigkeit, bedeutet eine ständige Bedrohung für uns. (…) Wir sind plötzlich verwirrt durch die Entdeckung der Ichlosigkeit und wollen diese nicht annehmen; wir möchten uns an irgendetwas festhalten (S. 30).”

 

 

Ram Dass (Richard Alpert):

In: Grof, S. & Grof, C. : Spirituelle Krisen. Chancen der Selbstfindung. Kösel, München, 1990

„Befreiung jedoch fordert völlige Selbst-Aufgabe, Aufgabe der Vorstellung dessen, was ich bin, was ich tue – für was ist! Und es ist so unglaublich, wenn wir erst einmal verstehen, wie machtvoll dieser Sterbevorgang ist, in dem das Ego für das Selbst sterben muss! Eine Art Tod jedoch ist immer und unausweichlich damit verbunden, und man wird von Trauer ergriffen. Es ist ein großer Kummer, wenn das, wofür man sich stets gehalten hat, zu verschwinden beginnt. (S.223f.)“

 

 

A.H. Almaas:

In: Facetten der Einheit. Kamphausen,  Zwickau,  2004

“Spirituelles Erwachen bedeutet, das wir uns wieder mit den Erfahrungsdimensionen verbinden, die von der Ichstruktur verdunkelt werden.” (…) Dieser Teil “ist im  Transformationspro­zess der Schwierigste, da er von uns verlangt, einen Teil der eigenen Identität los­zulassen, und dieses Aufgeben kann als Auflösung, als Desintegration, als Fragmen­tierung oder als Gefühl Auseinanderzufallen erlebt werden. Dieser Wendepunkt kann sehr schmerzhaft und beängstigend sein, weil das alte Identitätsgefühl zerbröselt und ab­fällt, ohne dass man weiß, was – oder ob überhaupt etwas – an seine Stelle treten wird. Was man festgehalten hatte, kam einem real vor, und jetzt lässt man es gehen und steuert auf etwas zu, das sich unbekannt und wie ein unerforschtes Gebiet anfühlt. Es ist, als spränge man in einen Abgrund, und das kann schrecklich sein (S. 43).”

 

 

Jack Kornfield:

In: Frag den Buddha und geh den Weg des Herzens. Kösel, München, 1995

“Alle spirituellen Entwicklungsprozesse  … haben immer mit einem Loslassen unserer alten Identität und der Wiedergeburt in Form eines neuen Selbstgefühls zu tun.” Er bezeichnet diesen Prozess als allumfassend: “er bezieht unser  ganzes Sein mit ein. Nachdem wir unsere spirituelle Identität verlassen haben, führt uns die Meditation durch die völlige Auflösung unseres Selbstgefühls, durch eine so »tiefe Nacht« wie der Tod selbst (S.186) (…) Wenn sich unsere äußere und innere Welt auflösen, verlieren wir das Gefühl für Bezugspunkte. Beunruhigung und Angst steigen auf und führen den Praktizierenden in einen Bereich von Furcht und Schrecken. (S. 187) (…) Wir müssen jede einzelne Ebene präzise benennen und zulassen, dass sie entsteht und vergeht. Jede andere Reaktion hält uns gefangen (…) Wir brauchen nichts anderes tun, als uns diesem Tod zu öffnen und zu jemandem zu werden, die oder der den Bereich des Todes  betreten hat und Angesicht zu Angesicht mit ihm erwacht ist. (S.188).”

 

 

Johannes Tauler (christl. Mystiker, ca. 1300 – 1361):

 

Wenn der Mensch in der Übung der inneren Einkehr steht

Wenn der Mensch in der Übung der inneren Einkehr steht,
hat das menschliche Ich für sich selbst nichts.
Das Ich hätte gerne etwas
und es wüßte gerne etwas
und es wollte gerne etwas.

Bis dieses dreifache “Etwas” in ihm stirbt,
kommt es den Menschen gar sauer an.
Das geht nicht an einem Tag
und auch nicht in kurzer Zeit.
Man muß dabei aushalten,
dann wird es zuletzt leicht und lustvoll.

 

Gefunden und gesammelt von: Marianne Gallen (2006)